INTERVJUER

Carina intervjuar Emma auf Deutsch

Zwei Seiten sind mindestens eine zu wenig

Dass die Bloggerin Emma Johansson, 26, ihr Herz an Hamburg verlor, war ein Zufall. Aber, dass sie heute als ein Hybrid aus drei Persönlichkeiten bezeichnet werden kann, ist das Resultat harter Arbeit. „Es gibt drei Emmas: die Deutsche, die Schwedische und die Englische.“ Emma ist das personifizierte „Sowohl-als-auch“, eine Frau, die immer mehrere Standpunkte zu jeder Situation im Leben hat.

Emmas Liebe zu Hamburg war die Folge einer Laune ihrer Freundinnen. „Sie planten für uns eine Reise an Midsommar 2015, und da Berlin zu weit weg war für einen Kurztrip, haben sie stattdessen Hamburg genommen.“ Zu der Zeit wohnte Emma in der südschwedischen Stadt Malmö und war in der Endphase ihres Studiums der Sozialpädagogik. Tja, und dann kam es, wie es oft kommt, wenn Singelfrauen reisen: Sie traf einen Mann und verliebte sich.

„Im Februar 2016 hatte ich dann die Fernbeziehung satt. Ich hatte mich gleichermaßen in Marv wie in die Stadt Hamburg verliebt und wollte ausprobieren, ob unsere Beziehung hält.“ Liebe macht bekanntlich blind, aber in Emmas Fall nicht ganz. Sie erkannte, dass es komplett ohne Deutschkenntnisse schwierig werden würde, in Deutschland Fuß zu fassen. „Ich hatte einen dreimonatigen Deutschkurs bei der Sprachenschule Colon gebucht und ein Zimmer in einer WG gemietet.“ Aus drei Monaten wurde ein ganzes Jahr Deutschkurse bei Colon und aus dem WG-Zimmer wurde letztes Jahr eine Drei-Zimmer-Wohnung mit Marv in den Elbvororten.

„Mich verbindet eine Hass-Liebe mit der deutschen Sprache”, bekennt die Frau mit den rötlichen Haar und erklärt weiter: ”Es ist schwierig,
eine neue Sprache zu lernen, denn dabei entwickelt man auch eine neue Identität und das ist manchmal auch irgendwie schmerzhaft. Man kann nicht immer genau sagen, was man möchte, so, wie man es in der Muttersprache gewohnt ist, deswegen wird man anders wahrgenommen als man es kennt. Und das ist spannend aber auch anstrengend. Es ist auch eine kulturelle Herausforderung, denn nichts ist so, wie man es kennt.Aber das ist gleichzeitig auch das, was ich liebe.“

Emma arbeitet in einem mehrsprachigen Kindergarten und gehört dort zu dem englischsprachigen Personal, andere Kollegen sind für Deutsch zuständig. „Ich spreche mit den Kindern Englisch und sie antworten auf Deutsch oder Englisch, einfach die Sprache, die sie gerade wollen. Ungefähr wie zu Hause, da sieht die Kommunikation ähnlich aus.“ Ihr Verlobter Marv spricht nämlich meistens Deutsch zu Hause. Emma, die sich noch in ihrer KiTa-kleidung – knallgelber Pulli und weiter schwarzweißen Rock – befindet, meint, dass sie mit der Zeit gelernt hat, zwischen den Sprachen zu navigieren. Sie beschreibt sich nicht mehr als zerrissen dazwischen sondern eher als ein Hybrid-Modell.

„Die deutsche Emma“, erklärt sie, „ist seltsamerweise unsicher und etwas langweilig, aber auch recht dominant und direkt. Und selbstsicher ist sie auch noch!“ Emma lacht und man ahnt, dass sie sich selbst etwas auf dem Arm nimmt. „Die schwedische Emma ist dünnhäutiger und nuancierter. Sie spielt mit der Sprache und kommuniziert zwischen den Zeilen.“ Da Emmas Arbeitssprache hauptsächlich Englisch ist, ist die englische Emma fachmännischer und manchmal etwas vorlaut aber dabei recht unterhaltsam. „Es gibt aber Wörter die nur auf Deutsch funktionieren, egal ob ich gerade Schwedisch oder Englisch spreche, Abstellraum, abwechslungsreich und fremdschämen zum Beispiel.“

Auf der Arbeit merkt sie oft, was für einen guten Ruf das Land Schweden genießt, vor allem in der Welt der Pädagogik. „Wenn ich etwas sage, was meinen Kollegen gefällt, bekommt Schweden wieder einen Pluspunkt, obwohl der Punkt eigentlich eher an mich gehen sollte! Nicht alle Schweden sind so wie ich und haben die gleiche Werte wie ich.“ Emma gilt in der KiTa als vorurteilsfrei, politisch korrekt und nachgiebig. Naja, schwedisch halt. „Ich finde, dass die Deutschen anders klagen als die Schweden“, gibt Emma zu bedenken. „Es scheint mir so, als ob Deutsche und Schweden verschiedene Anlässe haben, über was man klagen darf, und dadurch wird die Sichtweise, wie es zu lösen ist, unterschiedlich. Ich habe kein konkretes Beispiel und beobachte das Phänomen noch weiterhin.“ Dann lacht sie wieder, weil ihr noch etwas einfällt, was ihre Kollegen immer sagen. „‚Du bist eine Warmblüterin‘, sagen sie. Sie frieren und meinen, dass ich ja viel zu ‚nackig‘ bin. Aber das ist doch keine schwedische Eigenschaft, oder?“

Emma liebt nicht nur Marv, Hamburg und ihren sprachenreichen Alltag. Sie liebt auch das Lesen und über die Bücher, die sie liest, zu sprechen. „Mir fehlten hier anfangs die richtigen Ansprechpartner, deshalb habe ich einen schwedischen Buchclub gegründet. Wir treffen uns etwa einmal im Monat, um uns auszutauschen und über Bücher zu reden. Das machte großen Spaß, aber irgendwann war es mir nicht mehr genug. Ich wollte noch mehr über Bücher sprechen!“ Seit Oktober 2018 schreibt sie mit mir zusammen einen Buchblog auf Schwedisch, wo wir über Bücher, die wir lesen, schreiben oder andere literaturrelevante Themen aufgreifen.

„Der Blog gibt mir gedanklichen Freiraum, er gibt mir Energie und die Chance, kreativ zu sein und dann ist es auch otroligt kul!“

Der Blog Punktslut wird hauptsächlich auf Schwedisch geführt, aber manchmal schreibt Emma auch Rezensionen auf Englisch. ”Bloggen ist für mich beides: Geborgenheit und Herausforderung.“ Was so gegensätzlich klingt, macht Sinn, wenn Emma genauer erklärt: „Ich bin in meiner Komfortzone, während ich lese, mir in Ruhe Gedanken dazu mache und diese dann aufschreibe. Es ist dann aber eine Herausforderung, wenn ich die Komfortzone verlasse, um meine Texte auf dem Blog zu veröffentlichen und mit anderen teile.“

Emma braucht und schätzt ihre schwedischen Bezugspunkte, die sie auch in ihrer neuen Heimat in Deutschland pflegt. „Früher habe ich gedacht, dass es ja gar kein Sinn macht, im Ausland zu wohnen, wenn man in der Freizeit mit jemand aus Allingsås abhängt, aber mittlerweile denke ich anders darüber. Es ist meine schwedische Schutzhülle, die mir irgendwie Stabilität und eine gewisse Sicherheit gibt.“ Sie lebt zwar ein deutsches Leben, wählt aber ganz bewusst, wo sie sich integrieren will. Nie im Leben würde sie sich an die strengen Regeln des Siezens und Duzens halten, aber sie möchte auf keinen Fall darauf verzichten, bei Sneekpreviews im Savoy- Kino oder in einem Biergarten Alsterwasser zu trinken. „Und ich bin froh, ein besseres Verhältnis zu der schwedischen lättkränkthet gefunden zu haben. Manchmal finde ich die ja auch gut, aber nicht immer!“

Manchmal denkt sie, dass es schön ist, Sehnsucht nach Schweden haben zu können, aber gleichzeitig ist es toll mit der Distanz. „Dadurch sehe ich manches klarer. Natürlich fehlen mir die Familie und meine Freunde und manchmal denke ich, dass ich nächstes Jahr auf jeden Fall zurück möchte. An anderen Tage, denke ich, dass ich mindestens zwanzig Jahre hier bleiben möchte, oder dass ich nie wegziehen werde.“

Abschließend hat Emma ein paar Tipps für Hamburg-Besucher. „Ihr müsst auf jeden Fall durch den alten Elbtunnel gehen und die Stadt von der anderen Seite aus sehen. Schaut euch einen Film im Savoy-Kino an! Der Kinosalon ist unglaublich schön und hat sehr bequeme Sessel. Du kannst da Wein trinken und dich kulturell fühlen.“

Emma macht sich über Vieles Gedanken, lässt sich nicht festlegen auf eine Sichtweise und das macht sie zu ist einer facettenreichen Persönlichkeit. Das kann man in ihren spannenden Blogbeiträgen bei „Punktslut“ verfolgen, wenn man Schwedisch oder Englisch versteht. Auf einen Blog mit deutschen Texten müssen wir vermutlich noch etwas warten, denn so weit reicht ihre Offenheit bisher noch nicht.


Emmas fünf schnelle Antworten

Augustpriset oder Deutscher Buchpreis
Ein Buch lesen oder Ein Buch hören
Reeperbahn oder Möllevångstorget
Osterhahn oder Osterhase
Karneval oder Valborgsmässoafton
Weder noch! Första maj!

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *